Unser Anliegen für diesen Tag:
Unser pädagogisches Handeln unter heilpädagogischen Gesichtspunkten zu reflektieren und unser Fachwissen zu erweitern. Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, ob wir eine „heilpädagogische Diagnostik“ brauchen und wenn ja, wie sieht dieses Verfahren aus.
Der Begriff Diagnostik stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie „Unterscheidung, Erkenntnis“. Weiter gefasst geht es um das Bewerten von Informationen über einen Sachverhalt. Der Begriff der Diagnostik ist uns vor allem im medizinischen Sinne vertraut: Vor der Behandlung sollte die Diagnose stehen und im Umkehrschluss hieße dies: Keine Behandlung ohne Diagnose.
Im pädagogischen Kontext ist der Begriff der Diagnose weniger gebräuchlich und nicht einheitlich ausgewiesen. Insofern hat die Auseinandersetzung mit diesem Thema unter der Leitung von Dr. Lotz zu einem spannenden Diskurs geführt, der bis dato anhält.
Einig sind wir uns alle darin, dass die Heilpädagogik individuumsbezogen ist und dass heilpädagogisches Handeln ein hohes Methodenrepertoire erfordert, wo sich die Methode dem Bedarf anpasst. Doch auch hier stellt sich die Frage: Wer erkennt den Bedarf, wer bestimmt, was gebraucht wird?
Die Heilpädagogik, so haben wir an diesem Tag lernen können, folgt der Prämisse: Erst verstehen und dann erziehen. Doch um zu verstehen ist man auf jenen Menschen angewiesen, den man verstehen will. So ist Verstehen ein Prozess, der unweigerlich in den Dialog führt und in der Auseinandersetzung sowohl Diagnose als auch Handeln beinhaltet und gemäß dem hermeneutischen Zirkel nie abgeschlossen ist. Eine Diagnose im „üblichen“ Sinne als Rechtfertigung einer klar ausgewiesenen Behandlung ist in der Heilpädagogik so nicht vorstellbar.
Der mit Theorie ausgefüllte Vormittag, dessen inhaltliche Fülle hier nicht annähernd darstellbar ist, ging nachmittags in praktisches Tun über. Besondere Erwähnung soll hier die Biografiearbeit finden, die sowohl als diagnostisches Instrument als auch als pädagogische Intervention zutiefst dialogisch angelegt ist. Mit einer Papierrolle, Systemfiguren, Bändern und Kugeln entstanden sichtbare „Lebensläufe“ von einigen Kolleginnen und Kollegen, die freundlicherweise dazu bereit waren, diese Form der Biografiearbeit auszuprobieren.
Kann man mit Pädagogik heilen? Eine Antwort auf diese Frage kann es nicht geben. Der semantisch fragwürdige Begriff der Heilpädagogik hat sich an diesem Tag in seiner Fülle gezeigt und die Heilpädagogik „ist ja gerade da anzutreffen, wo wir Menschen vor Rätseln stehen: An den Grenzen unserer Kenntnisse, unserer Einsichtsfähigkeit und unserer Einflussmöglichkeiten.“
In diesem Sinne ist und bleibt Pädagogik ein spannendes Unterfangen mit offenem Ausgang.
Bärbel Hofer
Pädagogische Leitung
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